Das Mikrofon – die Qual der Wahl

Das Mikrofon – die Qual der Wahl

Die häufigste Frage, die von Newbies – Anfängern und Einsteigern – gestellt wird, lautet: “Welches Mikrofon soll ich für meine Stimme benutzen/kaufen?” Das ist grundsätzlich eine vernünftige Frage, aber schwierig zu beantworten. 

Bevor du in ein Mikrofon und ein Audio-Interface investierst, solltest du das große Ganze berücksichtigt haben.

Erstens wird ein Mikrofon nie besser klingen als der Raum, in dem es sich befindet. 

Hast du deine Aufnahmeumgebung untersucht? Die inneren und äusseren Geräusche deiner Umgebung sind schwer auszublenden. Darüberhinaus ist die Art von Mikrofonen, die am häufigsten für Voiceover-Aufnahmen verwendet wird, empfindlich. Das ist ihr Job! Sie wurden entwickelt, um die Nuancen deiner Stimme einzufangen. Das bedeutet, dass sie auch hervorragend alle Probleme und Unstimmigkeiten in deinem Aufnahmeraum abbilden. Sie werden zuverlässig den Lüfter in deinem Computer, das Brummen des Kühlschranks auf der anderen Seite der Wand, die Tritte der Nachbarn im Obergeschoss, die Vibration der Klimaanlagen und Heizungen und natürlich den Verkehr auf der nahegelegenen Strasse aufnehmen. Für Sprecher geeignete Mikrofone benötigen einen ruhigen Raum.

Zweitens fängt ein Mikrofon zuverlässig auch eine lausige Performance ein. 

Deshalb habe ich auch schon an anderer Stelle darüber gesprochen, einen Teil deines Budgets für das Coaching beiseite zu legen, z.B. für Gruppenkurse, Einzelsitzungen oder fokussierte Workshops. Jeder, den ich kenne, der als Sprecher/Voiceover (kurz VO) erfolgreich ist, investiert fortlaufend in Training. Es gibt immer etwas dazuzulernen und besser zu werden!

Was ich damit sagen will? Dein Setup (Mikrofon, Interface, DAW, Computer) ist natürlich wichtig, aber in deinem geplanten Budget muss auch Platz genug sein, um den Raum, in dem du aufnehmen wirst akustisch aufzubereiten und zu isolieren, und du muss in der Lage sein, Geld in Fortbildung/Coaching zu investieren.

Die drei Mikrofon Grundtypen im Schnelldurchlauf

Das dynamische Microfon

Ein typisches dynamisches Gesangsmikrofon von Shure

Dynamische Mikrofone haben ein “bewegliches Spulen”-Design, das auf Druckveränderung reagiert. Sie verwenden einen Magneten und eine bewegliche Spule, um eine kleine Spannung zu erzeugen. Dynamische Mikrofone benötigen keine Stromversorgung. Dies bedeutet, dass sie auch dazu neigen, ein niedriges Ausgangssignal zu erzeugen. Die meisten Handmikrofone sind dynamische Designs. Dynamische Mikrofone sind als Sprechermikrofone ungeeignet.

Das Ribbon- oder Bändchen-Mikrofon

Das klassische RCA 44-BX Ribbon-Mikrofon der 40er Jahre.

Ein Bändchenmikrofon, auch bekannt als Bandgeschwindigkeitsmikrofon, setzt die Schwingung von Schall mit einem dünnen, länglichen Alu-Bändchen (Ribbon) zwischen den Polen eines Magneten um. Durch die Bewegung im Magnetfeld wird eine Spannung induziert, die als Audiosignal abgegriffen werden kann. Viele RCA-Bandmodelle werden immer noch von Toningenieuren verwendet und geschätzt. Ribbonmikrofone sind höchstselten in Sprecherstudios anzutreffen.

Das Kondensatormikrofon

Neumann TLM103 Grossmembran-Kondensatormikrofon in einer Studiobricks Sprecherkabine.

Um die Dinge einfach zu halten, stell dir einen Kondensator als zwei Metallstücke in unmittelbarer Nähe zueinander vor, die unterschiedliche Mengen an Strom erzeugen, wenn sich ihre Position ändert. In der Kapsel eines Kondensatormikrofons wird die bewegliche Membran mit einer nicht beweglichen Rückplatte gekoppelt.

Wenn Schall auf die Membran trifft, wird sie dichter an die Rückplatte gedrückt, was die erzeugte Spannung ändert. Diese variierende Spannung liefert das Ausgangssignal. Da die Kapsel und die Elektronik in ihnen Strom benötigen, ist bei Kondensatormikrofonen die 48V Phantomspannung oder -speisung erforderlich. Sie neigen dazu, viel empfindlicher auf Änderungen an der Schallquelle zu reagieren und haben ein höheres Ausgangssignal. Mit höherer Empfindlichkeit in der Signalausgabe gibt es mehr Details und das Signal bedarf weniger Verstärkung.

Also, welches Mikrofon?

Der Mikrofontyp, der im Allgemeinen für Sprechertätigkeiten gewählt wird, ist ein Kondensatormikrofon. Und da, speziell ein Mikrofon mit großem Membrandesign wegen seiner Fähigkeit, die Nuancen des gesprochenen Textes genau zu erfassen und wiederzugeben. Mit anderen Worten, ein Grossmembran-Kondensatormikrofon.

Muss ein Kondensatormikrofon teuer sein?

Vor ein paar Jahrzehnten war eine erhebliche Investition erforderlich. Heute solltest du mindestens 2 bis 300 Euro für ein Grossmembran-Kondensatormikrofon einplanen. In diesem Bereich gibt es eine Reihe von Modellen, die dich in deiner Sprecherkarriere weit bringen können. 

Natürlich kannst du auch mehr ausgeben. Nach oben gibt es keine Grenzen. Ein höherer Preis bedeutet im Allgemeinen, dass die Komponenten besser sind. Ich benutze mein Neumann TLM 103 seit ca. 15 Jahren ohne jegliche Probleme. Ausserdem ist Support wichtig. Es wäre sehr ärgerlich feststellen zu müssen, dass das Unternehmen, das dein Mikrofon hergestellt hat, im Garantiefall nicht zu seinem Produkt steht oder nicht mehr existiert.

Jeder hat ein etwas anderes Verständnis von “teuer”. Wenn du noch nie einen VO-Job gebucht hast, kann selbst eine bescheidene Investition in Audio Equipment eine Belastung darstellen. Es ist daher vernünftig, das Beste zu kaufen, was du dir jetzt leisten kannst. Ein Upgrade ist dann sinnvoll, wenn es angemessen ist.

Hauptmerkmale für ein gutes Sprecher-Mikrofon

Low Noise 

Angesichts der günstigen Großmembran-Kondensatormikrofone, die es heutzutage gibt, solltest du in der Lage sein, eines zu finden, das kein hörbares Eigenrauschen erzeugt. Neumann listet für das TLM 103 beispielsweise einen Eigenrauschwert von 7 dB(A) oder ein Signal-Rausch-Verhältnis (SNR – Signal to Noise Ratio) auf. Das bedeutet, dass das Neumann TLM 103 auch als SNR von 87 (94 dB minus 7 dB Eigenrauschen) beschrieben werden könnte.

In jedem Fall suchen wir nach einem Mikro mit einem Eigenrauschen von 19 dB oder weniger – oder einem SNR-Wert von 75 oder höher. Mehr Lärm als das würde das Mikrofon für den VO-Einsatz ausschliessen.

Balanced Frequency Response

Jedes Mikrofonmodell hat einen charakteristischen Klang, der sich aus der verwendeten Kapsel und der Art und Weise ergibt, wie die Schaltung entwickelt wurde, um dieses Signal zu verstärken. Bei Sprechermikrofonen streben wir einen ausgewogenen Ton an. Mit anderen Worten, das Mikrofon sollte nicht von der Stimme ablenken. Wir wollen die Performance hören, nicht die Tonalität.

Klarheit und Detail

Die besten Mikrofone (Sprache und Gesang) gehen der stimmlichen Performance einfach aus dem Weg sozusagen – man hört die Details und es fühlt sich an, als wäre die Person direkt bei dir.

“Warmth” und “Air”

Man hört gelegentlich, dass manche Mikrofone “warm” sind – womit Tonalität und nicht Temperatur gemeint ist. Das Gegenteil davon wäre “harsch”. Ein “warmes” Mikrofon könnte möglicherweise so konstruiert sein, dass es die unteren Obertöne betont, z.B. durch gezieltes Beschneiden der oberen Mitten. Mikrofone die etwas mehr “Luft” haben. Hier geht es wirklich um die Präsenz der oberen Frequenzen in einer Weise, die nicht harsch oder verrauscht klingt.

Empfehlenswerte XLR-Mikrofone für Voiceover

Ich hoffe, es wird deutlich, dass die Suche nach dem “perfekten” Mikrofon viele Variablen hat. Das macht es letztendlich schwierig, ein bestimmtes Mikrofon als “DAS Mikrofon für die Sprechertätigkeit” zu empfehlen. Es gibt viele gute zur Auswahl.

Die folgenden Mikrofonmodelle sind alle Großmembran-Kondensatormikrofone, die einen XLR-Anschluss haben. Dieser dreipolige Anschluss nimmt das analoge Spannungssignal von der Elektronik des Mikrofons und leitet es an ein separates Audio-Interface weiter, das sich dann um Pre-Amping- und um die Analog-Digital-Wandlung kümmert, die erforderlich ist, um das Signal per USB Kabel in Ihren Computer zu übertragen. Du brauchst also auch ein Audio-Interface.

L-R: Audio-Technica AT2035, SE Electronics X1S, TechZone Stellar X2

VO Mikrofone – 200 € oder weniger

Audio-Technica AT2035

Dies ist das günstigste XLR-Mikrofon, das ich empfehle – es hat immer noch einen ausgewogenen Klang und ist nicht übermäßig hart. 

SE Electronics X1S Vocal Pack

SE stellt so viele Mikrofone her, dass dieses Modell oft verloren geht. Dieses Paket wird mit einer Shockmount und einem Pop-Filter aus Metall geliefert.

TechZone Stellar X2

TechZone gibt es seit ein paar Jahren. Dies ist ein Mikrofon klingt durchweg gut. Es ist auf der Techzone-Website und auch über Amazon erhältlich.

L-R: Rode NT1, Audio-Technica AT4040, SE Electronics 2200

VO Mikrofone von 200 € bis 500 €

Rode NT1 Vocal Bundle

Dieses Bundle wird mit Kabel, Pop-Screen, Mikrofon, Shockmount und Stativ mit Galgen zu einem sehr günstigen Preis geliefert. Es ist eine solide Wahl mit einem schönen, flachen Response. Hinweis – nicht zu verwechseln mit dem Rode NT1-A, das andere Klangeigenschaften hat.

Audio-Technica AT4040

Dies ist ein solides Mikrofon fürs Geld. Es gibt es seit Jahren und es gibt ein paar verschiedene Versionen. Nichts Auffälliges, nur ein schöner ausgewogener Klang.

SE Electronics 2200

Ein weiteres SE-Angebot mit etwas mehr Detail und zuverlässig konsistentem Klang. 

Vanguard Audio Labs V4 FET (Foto ganz oben)

Dieses Mikrofon kann sich in Vergleichstests gegen teurere Mikrofone behaupten.Ein sehr “musikalisch” klingendes Mikrofon.

L-R: Mojave MA201FET, Audio-Technica AT4050, Shure KSM44A, Neumann TLM103, Gefell M930, Austrian Audio OC818

VO-Mikrofone – 600 € bis 1.000 €

Mojave MA201 FET

Kleineres südkalifornisches Unternehmen, das hervorragende Mikrofone herstellt.

Audio-Technica AT 4050

Ein gutes Upgrade vom AT4040 mit schaltbarer Charakteristik.

Shure KSM44A

Mit Shure LDC-Mikrofonen lassen sich großartige Ergebnisse erzielen. Nichts Auffälliges, sauber und solide.

Neumann TLM 103

Dieses Mikrofon ist sehr beliebt bei Sprechern. Oft empfohlen. Es kann eine Tendenz zu Zischlauten haben, also solltest du vielleicht zuerst eines ausprobieren. Die Neumann Shockmounts sind in der Regel ein Zubehör und nicht preiswert.

Gefell M930

Wenn du in dieser Preiskategorie shoppst, lohnt es sich, dieses Modell auszuprobieren. Einige bevorzugen es gegenüber dem TLM103. Es ist lächerlich klein – viel kleiner als jedes andere hochwertige LDC.

Austrian Audio OC818

Dieses Unternehmen ist aus der AKG-Mikrofondesigngruppe hervorgegangen und hat ein großartig klingendes Mikrofon mit einer sehr interessanten Softwaresteuerung für schalbare Charakteristiken kombiniert.

Neumann TLM193

Dieses Neumann-Modell wird seltener von Sprechern berücksichtigt, wohl auch weil es mit 1.239 € deutlich über dieser Kategorie liegt. Es scheint sich auch auf kleinerem Raum gut zu verhalten.

Abschliessend – Die grosse USB Debatte

Wie auf dem Foto zu sehen ist, ist ein offensichtlicher Unterschied der, das die Basis des USB-Mikrofons anders aussieht als die eines herkömmlichen Kondensatormikrofons. Links der typische 3-Pin XLR-Anschluss, rechts der USB-B Anschluss eines USB Mikrofons.

Zweitens, und äusserlich nicht sichtbar, in jedem Fall muss das Audiosignal, das gesprochene Wort, das die Membran des Mikrofons zum Schwingen bringt, von A (analog) nach D (digital) umgewandelt werden. Der Schritt der Umwandlung der analogen Spannung (A) in die digitalen Einsen und Nullen (D) ermöglicht es uns, das digitale Audio in unseren Computern zu bearbeiten und abzuspielen. Die Umwandlung von “A in D” muss stattfinden, egal in welches Mikrofon wir sprechen.

International haben Sprecherkollegen sehr unterschiedliche Meinungen darüber, ob ein USB-Mikrofon für die Sprechertätigkeit geeignet ist.

Gründe für ein USB-direkt angeschlossenes Mikrofon

  • Dein Budget für deine “Signal Chain” (Mikro, Interface, DAW) beträgt weniger als 300 Euro.
  • Du bist als VO sehr oft unterwegs, sodass höchste Einfachheit eine hohe Priorität hat.
  • Du bist noch nicht sicher, ob die Sprecherkarriere das Richtige für dich ist, und du möchtest deine Ausgaben begrenzen.

Gründe, kein USB-direkt angeschlossenes Mikrofon zu kaufen

  • Billige USB-Mikrofone klingen oft ziemlich schlecht.
  • Die meisten USB-Mikrofone verwenden 16-Bit-Wandler, während die meisten alleinstehenden Interfaces auf einen 24-Bit-Konverter umschalten.
  • XLR-Kabel können wirklich lang sein. USB-Kabel müssen kurz gehalten werden. 
  • Oft setzen Kunden/Auftraggeber ein bestimmtes Kaliber oder Typ von Mikrofon voraus.

Trotzdem… zwei USB Modelle für Voiceover

Es gibt zwei USB-direkt angeschlossene Mikrofonmodelle, die man derzeit empfehlen kann. In beiden Fällen wird konsistent gute Audioqualität abgeliefert. Wichtig ist auch, dass sie in traditionellen Mikrofonständern montiert werden können. Eine bessere Option ist als ein Tabletop-Setup. Beide ähneln in Größe und Gewicht den XLR-verbundenen Modellen, im Gegensatz zu bestimmten Mikrofonen, die nach abscheulichen Schneekreaturen benannt sind….


Audio-Technica AT2020 USB+

Dieses Modell gibt es seit Jahren, und es gibt viele Variationen, auf die Sie stoßen könnten. Das aktuelle Modell “Plus” verfügt über einen Kopfhörerausgang, der eine direkte Überwachung an der Quelle ermöglicht. Es mit einem USB-Kabel geliefert wird. Ein Popfilter ist nicht dabei. https://www.thomann.de/de/audio_technica_at2020_usb.htm

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Røde NT-USB

Neuere Elektronik und einzigartiger integrierter Metallgitter-Popfilter machen dies Mikro zu einer soliden Wahl. Hinzu kommt das großzügig lange USB-Kabel, das Røde mitliefert. Ein gutes Setup, um loszulegen. Ich kenne Sprecher, die es als “Reise-Setup” benutzen.

Beide Mikrofone verwenden einen Ringadapter, den du möglicherweise verändern oder ersetzen musst, um das Mikrofon auf einem Bodenständer zu installieren. Beide Hersteller geben an, dass die Kapseln intern stoßisoliert sind, also obwohl sie keine Mikrofonspinne haben, scheint das nicht so ein Problem zu sein.

Danke

Zum einen möchte ich dir, dem Leser und der Leserin danken, dass du durchgehalten hast. ;-). Zum anderen möchte ich meinem amerikanischen Freund und VO-Kollegen Jim Edgar danken, denn ohne sein Research und den daraus resultierenden sehr langen und sehr detaillierten Blogpost hätte ich diesen Artikel nicht schreiben können. Jim’s Blogpost findest du hier: https://JustAskJimVO.studio/microphones

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